Zeit zur Korrektur

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein weiser Vater griff eines Tages zu einer sehr drastischen als auch wirksamen Methode, um seinem Sohn, den er über alles lietbe, wieder lachen und voller Lebensfreude sehen zu können. Auch, damit dessen Entwicklung nichts mehr im Wege stehen konnte.

Was war passiert?

Der Vater nahm seit langem wahr, dass sein Sohn Gabriel sich immer mehr und mehr zurück zog. Er distanzierte sich von Freunden, lachte kaum noch und mied vor allem das wunderschöne Naturgrundstück, nahe dem Naturpark.

 

Es wird Zeit, dachte der Vater und schritt diesmal in das junge Leben des Sohns ein.  Denn er hatte Gabriel mehrere Male abends im Bett- unter der Decke, weinen gehört und auch die Bitte an Gott. Heute bat er seinen Sohn, mit ihm den Picknick-Korb zu packen, der nun seit vielen Monaten verwaist auf ein Natur-Essen wartete. Irritiert schaute Gabriel zum Vater hoch, diese Klarheit überwog nun die innere Gegenwehr des Jungen.„Hast du deine Wanderschuhe an? fragte der Vater. „Wanderschuhe“? Eine aufkeimende Unruhe erfasste den Bub, etwas leistete heftig Widerstand. Doch ebenso war da ein Fünkchen Lebensfreude, dass die Wanderschuhe blind fand.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als Gabriel zur Tür ging, sah er auf einmal, wie groß sein Vater ihm erschien. Die frühe Abendsonne schien sogar noch den Schatten des Abbildes zu vergrößern. Dennoch, mit in sich gekehrter Stimme schwieg Gabriel neben dem Vater, der Jeep hielt am kleinen Parkplatz vor dem Naturpark.

 

„So, mein Sohn, lass uns mal auf einen Abendteuer-Fußweg gehen“, sprach der Vater und sah seinen Sohn liebvoller denn je, von der Seite an. Gabriel wollte nichts sehen, er hatte auch nicht um diese Reise gebeten. Denn alles in ihm schlug Alarm, alles, selbst sein kleines Herz holperte sich einige Male in Richtung Halsöffnung. Widerwillig trottete er neben seinem Vater, neben dieser großen Gestalt von Schutz. Es war nun das erste Mal, dass Gabriel solch ein Gefühl von Beschütztsein wahrnahm. Seine Erstarrung war etwas in Bewegung geraten. Dass war auch gut so, dachte sich der Vater, der seine Gedanken lesen konnte, gut so, um endlich dass zu korrigieren, was zur inneren Belastung geworden war.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sie gingen durch leicht hüglige Berge, zwei wunderschöne Naturseen ließen ihre volle Pracht im Abendsonnenlicht erstrahlen. Die Silhouette der Bäume- als auch der Wolken- spiegelte sich wie ein Portrait auf der stillen Wasseroberfläche wieder. Nun wurde der Park immer weitläufiger, breiter in der Vorderansicht. Der Vater legte nun seinen rechten Arm auf die Schulter seines Jungen, um ihm zu helfen, wieder in seine einzigartige Lebensfreude zu gelangen. „Warst du mit deinem Freunden wieder mal hier, an unserem Familien-Picknick-Platz“?  fragte der Vater- obwohl er die Antwort schon kannte. Ein  hartes „Nein“ entsprang nun dem stummen Jungen. „Es interessiert mich auch nicht, ob die anderen Kinder hier waren. Ich finde den Spielplatz im Dorf viel besser“, sagte es und Tränen rannen vor Wut über sein unschuldiges Gesicht. Es wird Zeit, es wird wirklich Zeit zu korrigieren, sagte sich der Vater innerlich. Seine rechte Hand lag noch immer schützend auf der Schulter des Sohnes…

 

Endlich, sie waren angelangt, der Vater packte den Rucksack aus und beide setzten sich auf die Decke. Als Gabriel still schweigend erst mal seine Limo trank, sah er dennoch aus einem Augenwinkel, dass sein Vater etwas heimlich aus einem großen Korb holte. Zunächst schienen zwei spitze Tüten aus dem Korb ragen. Doch, diese bewegten sich, sie zappelten und mit einem Male gesellte sich ein wunderschöner und sehr lebendiger Hase mitten auf der Decke. Neugierig schnupperte er an dem Essen, die Möhren waren wohl eigenes für ihn aufgetischt wurden. Gabriels Gesicht erhellte sich, sein lang gehegter Wusch war ein Hase, den er lieben und pflegen konnte, mit ihm spielen und auch ihm seine Sorge erzählen konnte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Ohhhhhhh“, das Ohhhhh wollte gar kein Ende nehmen, das nun aus Gabriel entsprang. Eine seit langem vermisste Lebendigkeit erfasst nun wieder den Bub und beide, Hase wie Junge, freuten sich aufeinander. Sie rannten zunächst wie wild um den Vater, der sich das lustige Treiben anschaute. Doch dann sprach er zu seinem Sohn: „Gabriel, Hasen fressen gern Frisches aus der Natur. Wollen wir ihm die Möglichkeit geben, es selbst zu finden“? Noch ahnte der Sohn nicht, was der Vater wirklich vorhatte, doch er stimmte seinem Beschützer zu. Also ließ Gabriel den Hasen jetzt aus seinen Armen, setzte ihn auf den Boden und wartete ab. Lange brauchte er nicht zu warten, denn der Hase…(ach ja, ganz nebenbei wurde dieser „Pedro“ genannt) schien das Revier hier zu kennen. Vater und Sohn liefen dem Naturköstler hinterher, sie hielten Schritt. Auch, wenn Pedro oft in Zickzack-Bewegungen die Richtung veränderte. Dann war es geschehen…zuerst nahm es der Vater wahr, sie waren an der Stelle angekommen, an dem er vermutete, dass sein Sohn irgendeinen Schock nicht überwunden hatte. Doch er dachte nicht mal zu Ende, als sein Sohn schrie: „Nein, nein, ich will da nicht mehr hin“- doch es war zu spät. Denn drei Meter vor ihm waren sein Hase und weitere zwei Meter vor dem Hasen- dieses schreckliche Ereignis. Es holte den Jungen wieder ein, jetzt, unwiderruflich, hart. Sein Körper bebte, alles zitterte, seine Emotionen entluden sich. Doch diesmal war sein Beschützer dabei, sein Vater stand hinter ihm, beide Hände ruhten spürbar auf die zitternden Schultern.

 

„Ich kann nicht“ flehte Gabriel, „ich kann nach weiter gehen“….schluchzend öffneten sich alle eingesperrten Gefühle. Langsam ging die Sonne unter, doch die freie Lichtung vor dem Felsabgrund war noch sonnenbeschienen. Man sah, dass ein unverarbeitetes Kindergeschehen die Lebensfreude von Gabriel zerstückelte, um nicht wieder in eine vermeintliche Todesangst zu gelangen. Endlich war der Sohn entladen und diesmal bewusst und wahrnehmbar beschützt. Gabriel spürte, dass ihm gerade nichts passiert war. Er rückte endlich mit den lang ersehnten befreienden Worten heraus: „Papa, Papa, als ich hier das letzte Mal mit meine Freunden war, da…“ er stockte nochmals…

 

Sein Vater hielt liebevoll den Blickkontakt aufrecht, den er mit dem Hinknien zu Gabriel ermöglicht hatte.

Dann sprudelte es nur so heraus:

„Die Katze vom Nachbarn, ja die war weggelaufen“ und er und alle seine Freunde suchten nach ihr. Und er, ja Gabriel fand sie zuerst. Er war so glücklich, sie als erster gesehen zu haben und sie wieder mit nach Hause zu bringen, dass er nicht darauf achtete, dass dann dieser Felsabgang hier war. Die Katze sprang im Moment des Greifens zur Seite und nur Gabriel war nun alleine, verlassen an der Kante. „Nur ich“…er weinte nun leise, bis sich sein Weinen in eine grosse Welle von Schmerz selbst freigab…

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Vater wusste um diese Geschichte, die ihm sein Sohn nicht erzählt hatte. Deshalb bat er ihn heute Morgen, dass er Gabriel eine schöne Überraschung zeigen dürfe. Sichtbar frei fasste der Sohn seines Vaters Hand und beide gingen durch die ehemalige Gefahr. Pedro genoss in der Zwischenzeit in vollen Zügen diese herrlichen Gräser. Doch bevor Gabriel ihn beschützend hoch nehmen wollte, war da ja noch die schöne Überraschung zu entdecken. Gabriels Vater nahm behutsam beide Hände seines Sohnes und führte ihn langsam, Schritt für Schritt an den vermeintlichen Abgrund heran. Was der Sohn dann sah, veränderte sein Leben für alle Mal. Denn hinter dem vermeintlichen Abgrund, 40 cm tiefer, schloss sich eine saftig grüne Blumenwiese an, fast unendlich lang für das Auge. Es war das Gebiet des Landschaftsgärtners, das sich etwas versteckt, liebevoll anschloss. Gabriel vergaß vor Staunen seinen Mund zuzumachen, er vergaß seitdem, dass er lange Zeit an dieser Angst vor dem Abgrund litt. Eins fiel ihm jedoch sofort ein: „Ohhhhhh man und  ich habe alle meine Freunde nur noch in der Schule gesehen, weil ich Angst hatte vor dieser Blumenwiese.  Und ich war meinen Freunden sogar manchmal böse, weil sie meiner Angst nicht folgten und stattdessen hier am Abgrund spielen wollten“… Er seufzte tief, obwohl er noch sehr jung war, war er wieder sehr bewusst.  „Danke Papa“, weiche Tränen des inneren Friedens erhellten nun alles um diese zwei Männer. Die glutrote Abendsonne erwärmte wieder alles, was zuvor erstarrt schien. Gabriel erinnerte sich zuerst an seine Lebendigkeit, beherzt sprang er diesen kleinen Abgrund herunter, immer und immer wieder, beide Arme wie zum Fliegen abhebend. Sein Freund Pedro stand nun ebenfalls am vermeintlichen Abgrund und schien sich ebenso darüber zu freuen. Doch es war wohl der Ausblick auf diese saftige Wiese. „Was meinst du, mein starker Sohn, könntest du deinem Freund Pedro in den kommenden Tagen diese saftige Wiese als „Hasen-Picknick“ anbieten?  Und das in der gleichen Freude und im Vertrauen, dass alles gut ist- so, wie jetzt? Denn ich sehe ja, ihr beide seid froh, dass wir nun gemeinsam diese Angst überwunden haben“. Liebevoll schlang nun der Sohn seine Arme um den Hals des Vaters, die Entspannung stand Gabriel so im Gesicht geschrieben, dass ein dicker Kuss den Vater nur noch in Zeitlupe erreichen konnte.

 

Zu dritt gingen sie zum Auto, Pedro hatte noch eine Handvoll Grünes von der Wiese als Wegzehrung vor sich im Riesenkorb liegen. Im Auto lehnte sich Gabriel innerlich gestärkt an die Schulter seines Papas, der sanft seine Mission glücklich zu Ende brachte.

 

Fazit:

 

Der Vater ist nichts anderes als das höher Selbst/die Seele, die uns hilft, wenn wir darum bitten. Scheinbar widrige, wiederkehrende Situationen sind die Einladung der Seele, etwas Unerledigtes, Schmerzvolles- nun im Schutz der Seele- endlich zum Guten/inneren Frieden klären zu können.

 

Denn, hinter jedem Abgrund wartet eine frische Wiese, die voller Lebensfreude entdeckt werden will. Und nur, wer sich den Lebens-Einladungen seiner Seele widersetzt, wird dann aus jedem kleinen Hügelchen einen unüberwindbaren Berg voller Szenarien erleben. Solange, bis er sich seiner alten Angst/Fehlsicht stellt, sie im Vertrauen korrigiert wird.

 

 

 

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